Die Begrifflichkeit des Spießbürgers hatte ursprünglich einen vollkommen anderen Sinn, als es die moderne Definition verläuten lässt. Heute versteht man unter einem Spießbürger einen engstirnigen und rückschrittlichen Menschen, der veraltete Anschauungen und Moralvorstellungen vertritt und verteidigt.
Im hohem und späten Mittelalter hingegen, hatte der Spießbürger eine ehrenvolle Aufgabe - er verteidigte seine Stadt. Nun war es zwar nicht so, dass der Spießbürger auch reich war, denn Reiche griffen nicht selbst zum Spieß, sondern ließen andere für sich zum Spieß greifen, also hatte er wohl ein gewisses Ansehen inne.
Wie der Name schon andeutet verteidigte der Spießbürger die Stadt vorwiegend mit schnell und günstig herzustellen Spießen. Diese Waffen aber waren zunächst keinesfalls billig und ineffektiv. Vielmehr stellen diese langen Spieße eine effiziente Verteidigungs- und Angriffsmöglichkeit, gerade in Hinblick auf Reiterheere dar. Erst als Feuerwaffen immermehr an Bedeutung und Verbreitung erfuhren wendete sich das Blatt für die "Spießer", die trotz des Wissens um den Vorsprung der technischen Neuerungen immer weiter Ihre Stadt auf alt hergebrachter Weise mit Spießen verteidigten... der Begriff des "Spießers" war geboren.
Als Vorlage für unsere Darstellung des Spiessbürgers diente uns zuvorderst eine Abbildung aus der Kreuzfahrer Bibel (links zu sehen: Folio 03 verso, oberer Bildausschnitt*). Zu erkennen ist hier eine Person (mit einem Haumesser) welche vermutlich eine Polsterrüstung (Gambeson) trug.
Der Brustschutz war knielang und hatte nur kurze, bis zum Ellenbogen reichende Ärmel. Interessanterweise wurde der Gerüstete nicht mit einem Helm abgebildet, sondern trug auf dem Kopf ebenfalls nur eine Polsterhaube. Daher kann geschlossen werden, dass ein Helm zunächst nicht immer zur Ausstattung eines Kriegsknechtes / Spiessbürgers gehörte. (Aus späteren Quellen ist allerdings zu schließen, dass ein Helm, ein Brustschutz, sowie ein Spiess von den Bürgern zur Stadtverteidigung vorrätig gehalten werden mussten).
Unser Idealtypus des Spiessbürgers kommt zunächst mit einem kurzärmeligen Gambeson daher, wobei die Ärmel in unserer Variante angenestelt sind. Der Gambeson wurde von uns komplett per Hand genäht und mit gespülter Rohwolle fest ausgestopft. Neben dem ca. 9 Kilo schweren Brustpanzer mir hochschließender geknöpfter Halskrause, wird eine recht dicke Polsterhaube getragen, die in der Machart der des Brustschutzes entspricht.
Ein längerer, aus zwei Lagen Rindsleder, fest mit einer Schusternaht verbunderer Gürtel hält die Rüstung an ihren Platz und gibt die Möglichkeit die Beiwaffe hinter dem Gürtel zu tragen und einige wenige Habseligkeiten zu befestigen.
Die Hauptbewaffnung ist der berühmte Spieß mit einer rhombischen Lanzenspitze, nach einem Fund aus dem Komplex der Burg Elmendorf, Ldkr. Ammerland aus dem 12. / 13, Jh.. Ein sog. Baselard oder Basilard (langer Dolch, nach schweitzer Vorbild - Basel) dient als Beiwaffe.
Quellen und Weiterführendes:
- The Morgan Picture Bible, The Morgan Library & Museum, New York, USA - Online Exhibitions, www.themorgan.org.