Diese Wachstafel wurde nach einer Abbildung aus der "Großen Heidelberger Liederhandschrift" - dem Codex Manesse - gefertigt.
Die Große Heidelberger Liederhandschrift stammt aus Zürich und wurde auf die ersten 40 Jahre des 14. Jahrhunderts datiert.
Es ist davon auszugehen, dass die züricher Bürger Rüdiger Manesse und sein Sohn Johannes den Codex "Manesse" durch ihre Sammlung mittelhochdeutscher Lieder - initiierten. Die Fertigstellung haben beide micht mehr erlebt. Denn Rüdiger starb 1298 und sein Vater folgte ihm 1304.
Die von uns zu rekonstruierende Wachstafel taucht zwei Mal in dem Codex Manesse auf. Zum einen ist sie auf der Tafel 28 abgebildet. Diese zeigt vermutlich Wilhelm von Gliers, der ein zweiteiliges Wachstafelbuch - ein Diptychon (Plural Diptycha oder eingedeutscht Diptychen, von altgriech. díptychos ‚doppelt gefaltet‘) - in seinen Händen hält, welches andeuten soll, dass er schreiben und lesen konnte, was bei Rittern nicht unbedingt selbstverständlich war. Des weiteren erscheint ein solches Wachstafelbuch nocheinmal auf der Tafel 121, welche "Meister Gottfried von Strassburg" zeigt, dem Schöpfer des Versromans "Tristan" (um 1210). Auch hier ist wieder das Diptychon als Zeichen für die Gelehrtheit seines Besitzers zu verstehen.
Wachstafeln dienten im 13. Jahrhundert wohl insbesondere als Notizbuch für kurzfristige Aufzeichnungen, bspw. als Auftrags- oder Terminbuch oder wie im Fall von Wilhelm und Gottfried zur kurzfristigen Aufzeichnung von Versen und Konzepten für ihre Minnelieder. Denn sowohl das "neumodische" Papier, als auch Pergament wären hierfür zu kostbar gewesen und dienten wohl allenfalls zur späteren Reinschrift des Liedgutes.
Die Bedienung einer Wachtafel ist dabei gänzlich einfach. Mit der spitzen Seite des Stifts, dem Stilus (lat. für Griffel), wird in die Wachsschicht die Information eingeritzt. Dabei ist das Schreiben ein wenig umständlich, muss doch der Griffel immen leicht schräg mit der Linienführung gezogen werden. Um die Wachstafel wieder zu löschen, befindet sich an der anderen Seite des Griffels ist ein kleiner Spachtel, mit dem das Wachs wieder glatt gestrichen und dann neu beschrieben werden kann.
Bei diesem Projekt haben wir uns das Ziel gesetzt, die Tafel vollständig per Hand und ohne elektronische Werzeuge zu rekonstruieren. Weiterhin haben wir das Projekt mit "vom Baum zur Tafel" betitelt, so dass die Brettchen für die Tafel aus einem Eichenstamm herauszuarbeiten waren.
Aus dem besagten Eichenstamm haben wir zwei Brettchen mit den Maßen 18 x 8,5 x 0,7 cm herausgesägt. Obwohl hierfür ein moderner Fuchsschwanz zum einsatz kam, stellte sich das Eichenholz als ein würdiger Gegner dar. Nachdem die Brettchen herausgearbeitet wurden, haben wir diese mit einem Schnitzmesser auf einer Seite abgerundet und sämtliche Unebenheiten mit einem Ziehmesser und einem Schabeisen beseitigt. Im Abstand von einem Zentimeter zum Rand wurde dann mit einem Beitel eine Vertiefung von ca. ca. 2-3 mm geschaffen, die mit einem Gemisch aus geschmolzenen Bienenwachs und Kiefernpech im Verhältnis von ca. 8 Teile Bienenwachs und 2 Teile Kiefernpech aufgefüllt wurde.
Damit das Wachstafelbuch geöffnet und geschlossen werden kann, sind die Brettchen mit drei kleinen Lederbändchen verknotet. Abschließend haben wird die Oberfläche der Brettchen mit dem Wachs-Pech-Gemisch behandelt und so unempfindlich für Feuchtigkeit gemacht.
Der Stilus wurde aus einem drei Millimeter starken Messingdraht gefertigt. Zur besseren Aufbewahrung, haben wir ein passendes Lederfutteral hergestellt, welches praktischerweise mit dem Stilus verschlossen werden kann.
(Eigene Fertigung 2011, Aufwand insg. ca. 20 Std.)